Befreiungsrecht

Befreiungsrecht

Im Hin­blick auf die Recht­spre­chung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts zu § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vom 31. Okto­ber 2012 ist fest­zu­stel­len, dass die aus­ge­lös­te Ver­un­si­che­rung bei ange­stell­ten Mit­glie­dern über ihren zustän­di­gen Ren­ten­ver­si­che­rungs­trä­ger auch im Berichts­jahr 2016 nicht besei­tigt wer­den konn­te. Ursäch­lich für die Ver­un­si­che­rung war anfangs eine sehr wider­sprüch­li­che Ver­wal­tungs­pra­xis der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund. Ver­gleich­ba­re Tätig­kei­ten, ins­be­son­de­re in der Indus­trie, wur­den bun­des­weit unter­schied­lich bewer­tet. Im Berichts­jahr 2016 basier­te, wie schon im Berichts­jahr 2015, die Ver­un­si­che­rung wei­ter­hin ganz über­wie­gend dar­auf, dass die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung dazu über­ge­gan­gen ist, nur die beruf­li­chen Tätig­kei­ten zu befrei­en, für die die Appro­ba­ti­on als Apo­the­ker objek­tiv zwin­gend erfor­der­lich ist.

Zum Hin­ter­grund: Das Bun­des­so­zi­al­ge­richt hat die Befrei­ung restrik­tiv auf die jeweils aus­ge­üb­te beruf­li­che Tätig­keit bezo­gen. Es hat inso­weit klar­ge­stellt, dass jeder Arbeit­ge­ber- oder Tätig­keits­wech­sel zu einem neu­en Befrei­ungs­ver­fah­ren füh­ren muss. In der Fol­ge wur­den daher zahl­rei­che Anträ­ge auf Befrei­ung über die Apo­the­ker­ver­sor­gung Schles­wig-Hol­stein gestellt. Auch im Berichts­jahr 2016 wur­den erneut Befrei­un­gen ganz über­wie­gend mit dem Argu­ment abge­lehnt, dass für die aus­ge­üb­te Beschäf­ti­gung die Appro­ba­ti­on als Apo­the­ker nicht zwin­gend erfor­der­lich ist.

Es sind zahl­rei­che gericht­li­che Ver­fah­ren anhän­gig. Es wird zu klä­ren sein, ob der pau­scha­le Aus­schluss aller Beschäf­ti­gun­gen für die die Appro­ba­ti­on als Apo­the­ker kei­ne zwin­gen­de Vor­aus­set­zung ist, recht­mä­ßig ist. Die abschlie­ßen­de Ent­schei­dung zu die­ser Pro­ble­ma­tik hat durch­aus Ein­fluss auf die zukünf­ti­ge Mit­glie­der­struk­tur der Apo­the­ker­ver­sor­gung Schles­wig-Hol­stein. Soll­te zukünf­tig nur noch die­je­ni­ge Beschäf­ti­gung befreit wer­den, für die eine Appro­ba­ti­on kraft Geset­zes erfor­der­lich ist, gehen der Apo­the­ker­ver­sor­gung zukünf­tig ins­be­son­de­re zahl­rei­che Mit­glie­der aus der Indus­trie verloren.

Im Berichts­jahr 2016 sind wei­te­re sozi­al­ge­richt­li­che Urtei­le ergan­gen, die die Ver­wal­tungs­pra­xis der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung in Fra­ge stel­len. Dar­un­ter befin­den sich mitt­ler­wei­le auch zweit­in­stanz­li­che Urtei­le von Lan­des­so­zi­al­ge­rich­ten. Die­se stel­len sich deut­lich gegen die Rechts­auf­fas­sung der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung  und for­dern von ihr eine exak­te Prü­fung, ob eine berufs­grup­pen­spe­zi­fi­sche Tätig­keit vor­liegt. Die Prü­fung müs­se vor dem Hin­ter­grund des jeweils gesetz­lich fest­ge­leg­ten Berufs­bil­des des Kam­mer­be­rufs über­prüft und bewer­tet wer­den; es müs­se eine für den in der jewei­li­gen Ver­sor­gungs­ein­rich­tung pflicht­ver­si­cher­ten Per­so­nen­kreis typi­sche Berufs­tä­tig­keit aus­ge­übt wer­den. Dies wie­der­um sei anhand der ein­schlä­gi­gen kam­mer­recht­li­chen Vor­schrif­ten, ins­be­son­de­re unter Beach­tung der Berufs­ord­nun­gen des jewei­li­gen ver­kam­mer­ten Berufs, zu beurteilen.

Die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung hat bis­her lan­des­spe­zi­fi­sche kam­mer- und ver­sor­gungs­recht­li­che Vor­schrif­ten in ihrem Ver­wal­tungs­ver­fah­ren kate­go­risch nicht her­an­ge­zo­gen. Sie hat sich allen­falls in Ein­zel­fäl­len auf Bun­des­recht und hier auf die Bun­de­s­apo­the­ker­ord­nung beru­fen. Sie hat für zahl­rei­che Tätig­kei­ten in der Indus­trie kei­ne Befrei­ung zuguns­ten des Ver­sor­gungs­wer­kes erteilt, weil sie der Auf­fas­sung war, dass die­se Tätig­kei­ten nicht unter das Berufs­bild des Apo­the­kers gemäß § 2 Absatz 3 der Bun­de­s­apo­the­ker­ord­nung zu sub­su­mie­ren sind. Die Aus­übung des Apo­the­ker­be­ru­fes ist gemäß § 2 Absatz 3 Bun­de­s­apo­the­ker­ord­nung a. F., die Aus­übung einer phar­ma­zeu­ti­schen Tätig­keit, ins­be­son­de­re die Ent­wick­lung, Her­stel­lung, Prü­fung oder Abga­be von Arz­nei­mit­teln unter der Bezeich­nung „Apo­the­ker“ oder „Apo­the­ke­rin“. Die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung hat die­se Vor­schrift sehr eng aus­ge­legt und dadurch vie­le Beschäf­ti­gun­gen einer mög­li­chen Befrei­ung ent­zo­gen. Sie hat es abge­lehnt, der Wei­ter­ent­wick­lung des Berufs­bil­des des Apo­the­kers Rech­nung zu tra­gen und die­se Ent­wick­lung in ihre Ver­wal­tungs­ent­schei­dung einzubeziehen.

Die Ent­wick­lung des Berufs­bil­des des Apo­the­kers hat im Berichts­jahr 2016 aber der Gesetz­ge­ber berück­sich­tigt. Er hat durch das 4. Gesetz zur Ände­rung arz­nei­mit­tel­recht­li­cher Vor­schrif­ten vom 20. Dezem­ber 2016 die Bun­de­s­apo­the­ker­ord­nung geän­dert und dadurch den Umfang phar­ma­zeu­ti­scher Tätig­kei­ten ganz aus­führ­lich beschrie­ben. An die­ser Beschrei­bung wird auch die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung nicht vor­bei­kom­men. Phar­ma­zeu­ti­sche Tätig­kei­ten umfas­sen nach der neu­en Bun­de­s­apo­the­ker­ord­nung insbesondere:

  • Her­stel­lung der Dar­rei­chungs­form von Arzneimitteln,
  • Arz­nei­mit­tel­for­schung, Ent­wick­lung, Her­stel­lung, Prü­fung von Arz­nei­mit­teln, Tätig­kei­ten in der Arz­nei­mit­tel­zu­las­sung, Phar­ma­ko­vi­gi­lanz und Risi­ko­ab­wehr in der phar­ma­zeu­ti­schen Industrie,
  • Arz­nei­mit­tel­prü­fung in einem Labo­ra­to­ri­um für alle Prü­fun­gen von Arzneimitteln,
  • Lage­rung, Qua­li­täts­er­hal­tung und Ver­trieb von Arz­nei­mit­teln auf der Großhandelsstufe,
  • Bevor­ra­tung, Her­stel­lung, Prü­fung, Lage­rung, Ver­trieb und Abga­be von unbe­denk­li­chen und wirk­sa­men Arz­nei­mit­teln der erfor­der­li­chen Qua­li­tät in der Öffent­lich­keit zugäng­li­chen Apotheken,
  • Her­stel­lung, Prü­fung, Lage­rung und Abga­be von unbe­denk­li­chen und wirk­sa­men Arz­nei­mit­teln der erfor­der­li­chen Qua­li­tät in Krankenhäusern,
  • Infor­ma­ti­on und Bera­tung über Arz­nei­mit­tel als sol­che, ein­schließ­lich ihrer ange­mes­se­nen Verwendung,
  •  Mel­dung von uner­wünsch­ten Arz­nei­mit­tel­wir­kun­gen an die zustän­di­gen Behörden,
  • Per­so­na­li­sier­te Unter­stüt­zung von Pati­en­ten bei Selbstmedikation,
  • Bei­trä­ge zu ört­li­chen oder lan­des­wei­ten gesund­heits­be­zo­ge­nen Kampagnen,
  • Tätig­kei­ten im Arzneimittel‑, Apo­the­ken- und Medi­zin­pro­duk­te­we­sen der öffent­li­chen Gesund­heits­ver­wal­tung in Behör­den des Bun­des, der Län­der und der Kom­mu­nen sowie in Kör­per­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts und in Berufs- und Fachverbänden,
  • Tätig­kei­ten in Leh­re und For­schung an Uni­ver­si­tä­ten sowie in der Leh­re an Lehr­an­stal­ten und Berufs­schu­len in phar­ma­zeu­ti­schen Fachgebieten.

An die­ser umfas­sen­den Beschrei­bung des Berufs­bil­des des Apo­the­kers muss sich auch die Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung zukünf­tig ori­en­tie­ren, soll­te sie sich in Ein­zel­fäl­len erneut auf das Bun­des­recht bezie­hen. Vor dem Hin­ter­grund der bis­he­ri­gen sozi­al­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung blei­ben aber die lan­des­spe­zi­fi­schen kam­mer- und ver­sor­gungs­recht­li­chen Vor­schrif­ten maß­ge­bend, anhand derer zu prü­fen ist, ob eine berufs­grup­pen­spe­zi­fi­sche Tätig­keit vorliegt.

Im Berichts­jahr 2016 wur­de in zahl­rei­chen sozi­al­ge­richt­li­chen Ver­fah­ren das Ruhen ange­ord­net. Sozi­al- und Lan­des­so­zi­al­ge­rich­te war­ten auf eine Ent­schei­dung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts unter dem AZ B 5 RE 5/16 R. Es wird erwar­tet, dass das Bun­des­so­zi­al­ge­richt aus­drück­lich zu der Fra­ge Stel­lung bezieht, ob pau­schal alle Beschäf­ti­gun­gen von der Befrei­ung aus­ge­schlos­sen wer­den kön­nen, für die die Appro­ba­ti­on als Apo­the­ker kei­ne zwin­gen­de gesetz­li­che Vor­aus­set­zung ist. Es bleibt zu hof­fen, dass die Erwar­tung begrün­det ist. Rechts­dog­ma­tisch ist es nicht unbe­dingt zwin­gend, dass das Bun­des­so­zi­al­ge­richt in dem ganz kon­kret anhän­gi­gen Ver­fah­ren über die Rechts­fra­ge entscheidet.Trotz der im Berichts­jahr 2016 wei­ter­hin posi­ti­ven Ent­wick­lung in der Recht­spre­chung und trotz der Signa­le des Bun­des­ge­setz­ge­bers durch die Modi­fi­ka­ti­on der Bun­de­s­apo­the­ker­ord­nung bleibt die Ver­un­si­che­rung im Mit­glie­der­kreis infol­ge der zahl­rei­chen anhän­gi­gen Ver­fah­ren sehr hoch. Die beschrie­be­nen befrei­ungs­recht­li­chen Tur­bu­len­zen bestä­ti­gen die bis­he­ri­ge ver­si­che­rungs­ma­the­ma­ti­sche Ent­schei­dung der Apo­the­ker­ver­sor­gung, im Rechen­werk auf die Ein­be­zie­hung eines zukünf­ti­gen Mit­glie­der­neu­zu­gan­ges zu verzichten.

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